Wer heute mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, kennt das Bild: Ob jung oder alt – fast jede:r Reisende scrollt, wischt oder tippt während der Fahrt auf dem Smartphone, um sich mit den aktuellsten Nachrichten zu versorgen. Eine Zeitung oder ein Magazin in der Hand? Ein seltener Anblick. Kein Wunder, denn der digitale Wandel hat uns längst fest im Griff.
In einer zunehmend digitalisierten Welt spielt auch das Thema Bildung und die Frage, wie wir – als Individuen und als Gesellschaft – mit den Medien umgehen, eine zentrale Rolle. Die Fähigkeit, digitale Medien zu nutzen, zu verstehen und kritisch zu bewerten, ist in Zeiten manipulierter, verfälschter oder von einer Künstlichen Intelligenz (KI) generierter Inhalte wichtiger denn je. Im State of the Media Report 2024 von Cision gaben 42 Prozent der befragten Journalist:innen an, dass ihre größte Herausforderung im Jahr 2024 darin besteht, ihre Glaubwürdigkeit als vertrauenswürdige Nachrichtenquelle zu erhalten.
Im Agenturalltag beschäftigen wir uns regelmäßig mit dem sich verändernden Mediennutzungsverhalten verschiedener Ziel- und Altersgruppen: Wer konsumiert welche Medien und Inhalte wie oft? Über welche Kanäle informieren sich die Menschen? Ob im Gespräch mit Journalist:innen, unseren Kund:innen oder beim Austausch an der Kaffeemaschine unter Kolleg:innen – einige Annahmen rund um den Konsum und die Nutzung von Medien halten sich hartnäckig in unseren Köpfen.
Wir haben fünf gängige Mythen unter die Lupe genommen und festgestellt: Das Ergebnis ist oft komplexer als „richtig“ oder „falsch“.
#1: Printmedien haben im digitalen Zeitalter keine Zukunft. Stimmt’s?
Es ist kein Geheimnis, dass Druckerzeugnisse nicht mehr so häufig gelesen werden und die Verlagswelt in Deutschland mit sinkenden Auflagen zu kämpfen hat. Verlage müssen sich den veränderten Marktbedingungen und Lesegewohnheiten anpassen und ihre Inhalte digital publizieren. Dennoch gilt: Besonders in Nischenmärkten und B2B-Branchen verlassen sich berufliche Entscheider:innen nach wie vor auf gedruckte Informationsquellen. Laut LAE-Sonderauswertung 2022 für die Deutsche Fachpresse greifen rund 89 Prozent regelmäßig oder gelegentlich auf Fachzeitschriften zurück. Der Vorteil: Print ist ein haptisches und vertrauenswürdiges Medium. Dieses Argument pro Print gilt auch für die Mitarbeitendenkommunikation, weiß mein Kollege Andreas. Und überhaupt: Wer sich eine Auszeit beim Magazinlesen nimmt, entflieht bewusst dem digitalen Stress und kann entspannen.
Fazit: Totgeglaubte leben länger: Print bleibt trotz digitaler Transformation relevant.
#2: Medien werden vor allem über mobile Geräte konsumiert. Stimmt’s?
Das Smartphone hat sich in den vergangenen Jahren zum meistgenutzten Gerät für den privaten Medienkonsum entwickelt – und damit sogar den Fernseher überholt. Ob soziale Medien, die Wetter-App, Musik- und Video-Streamingdienste oder der Nachrichtenaustausch mit Freund:innen und Familie – ein Smartphone garantiert den Zugang zum Internet jederzeit und von überall. Laut D21-Digital-Index 2023/24 nutzen über 85 Prozent der Deutschen ab 14 Jahren täglich ein mobiles Endgerät, um auf das Internet zuzugreifen. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren waren es noch 54 Prozent. Der Trend zu mobil gilt nicht nur für junge Menschen. In fast jeder Generation nutzen mindestens drei von vier das Smartphone als Tor zur digitalen Welt. Für uns bedeutet das: Die mobile Optimierung der Inhalte ist nicht mehr optional, sondern ein Muss.
Fazit: Mobil schlägt alles: Smartphones sind unsere treuesten Wegbegleiter.
#3: Jüngere Zielgruppen informieren sich nicht mehr über traditionelle Medien. Stimmt’s?
Die Nachrichtennutzung ist altersabhängig: Personen ab 50 Jahren nutzen häufiger TV, Radio und Tagesszeitung als Informationsquelle über das aktuelle Zeitgeschehen. Die Generation Z, also alle zwischen Mitte der 1990er und Anfang der 2010er Jahren Geborenen, bevorzugt das Internet. Dass sie damit aufgewachsen ist, beeinflusst ihr Mediennutzungsverhalten erheblich. Soziale Netzwerke wie Instagram und TikTok sind aufgrund ihrer kurzen, visuell ansprechenden und interaktiven Formate attraktiv. Zusätzlich kuratieren die Algorithmen der Plattformen Inhalte basierend auf den Interessen der User:innen: ein personalisiertes Nachrichtenerlebnis, das traditionelle Medien (noch) nicht bieten können. Im Jahr 2023 kürte laut Mediengewichtungsstudie der Medienanstalten sogar ein Drittel der unter 30-Jährigen Instagram zum Infosieger – und verwies damit Google auf den zweiten und YouTube auf den dritten Platz.
Fazit: TikTok statt Tagesschau: Ein Wandel, der kam, um zu bleiben.
#4: Fake News im Internet sind leicht zu erkennen. Stimmt’s?
Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie haben Verschwörungsmythen und Fake News im Internet und auf Social-Media-Plattformen rasant zugenommen. Während der Begriff Fake News eher vage ist, verstehen wir darunter die gezielte Verbreitung von Fehlinformationen: Studien, deren Quelle nicht klar nachvollziehbar ist; Nachrichten, die relevante Details ausblenden; Bilder oder Videos, die mittels einer KI manipuliert wurden. Die Krux dabei: Desinformationsseiten sind oft wie traditionelle Medien aufgemacht – und werden daher unbeabsichtigt geteilt oder weiterverbreitet. Aber auch satirische Inhalte oder Parodien spielen mit dem Bild der Realität. Das erschwert es, Fake News auf Anhieb als solche zu erkennen. Inwieweit verfügen Nutzer:innen über eine ausreichende Medienkompetenz, um die Korrektheit und Echtheit von Inhalten einzustufen? Für die CC Care-Woche zum Thema „Bildung“ haben wir uns mit dem Stadtjugendring Stuttgart (SJR) zusammengetan und den Workshop „Gemeinsam gegen Fake News“ für Mitarbeitende in der Jugendarbeit organisiert. Getreu dem Motto: Nicht nur reden, sondern handeln. Die umfassende Materialsammlung aus dem Workshop könnt ihr euch hier ansehen und noch tiefer in die Materie einlesen.
Fazit: Fakten gegen Falschmeldungen: Eine hohe Medienkompetenz und glaubwürdige Quellen helfen beim Umgang mit Nachrichten im Internet.
#5: KI übernimmt künftig unsere Medien-Jobs. Stimmt’s?
Dieser Mythos löst ein leichtes Unbehagen aus – stellt er doch die Relevanz unseres Berufs in Frage. Jede vierte befragte Person des State of the Media Reports 2024 stuft KI als eine der größten Herausforderungen für Journalist:innen ein. Die Reporterfabrik hat den Sprachpapst und Stilkritiker Wolf Schneider mittels einer KI wieder auferstehen lassen. Fakt ist, dass der Einsatz von KI erheblichen Einfluss auf verschiedene gesellschaftliche Bereiche hat. Fakt ist auch, dass dieser Blogbeitrag von einem Menschen geschrieben und von anderen Menschen redigiert wurde. Aber wir können und wollen uns dem Wandel nicht entziehen: Generative KI-Tools wie ChatGPT unterstützen Medienschaffende bei der Recherche und übernehmen erste Korrekturrunden. Gerade in den Bereichen Content-Erstellung von standardisierten Inhalten oder der Datenanalyse ist KI uns in puncto Geschwindigkeit weit voraus. Wenn es aber um Kreativität, strategisches und kontextuelles Denken oder die Fähigkeit geht, menschliche Emotionen und Beziehungen zu verstehen, verlassen wir uns auf unsere menschlichen Kolleg:innen. Sie sind es auch, die mit den fachlichen Ansprechpartner:innen telefonieren, Freigaberunden übernehmen und trotz geringer Datenmengen einen aussagekräftigen Fachbericht schreiben – all das kann KI (noch) nicht.
Fazit: PR ist People Business: KI wird unsere Jobs nicht vollständig übernehmen, aber sie verändert und unterstützt die Branche maßgeblich.
Auch wenn digitale Medien aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken sind, ein Tipp für die nächste Busfahrt: Einfach mal das Smartphone in die Tasche packen und die Aussicht genießen – das geht auch ganz analog.