Der Tag der Sicherheit ist ein Ereignis, das sich viele Organisationen und Unternehmen zu Nutze machen. Die Bergwacht öffnet ihre Türen und lässt die Kinder in der Trage liegen, abseilen und Knoten üben, während ein IT-Unternehmen über Sicherheit im Internet aufklärt und einen Wettbewerb rund um das sicherste Passwort veranstaltet. Eines haben beide gemeinsam: Sie betreiben Agenda Surfing.
Sowohl die Bergwacht als auch das IT-Unternehmen surfen auf der Themenwelle „Tag der Sicherheit“. Sie wählen diesen Aktionstag, um die eigene Organisation zu präsentieren und eigene Ziele zu verfolgen. Die Bergwacht will zum Beispiel neue Mitglieder und Spender, das IT-Unternehmen möglichst viele App-Nutzer*innen gewinnen.
Wie funktioniert Agenda Surfing – und was gilt es zu beachten?
Agenda Surfing ist ein wichtiges Instrument in der Unternehmenskommunikation: Statt Themen selbst zu setzen, nutzen Unternehmen bestehende Themenwellen, um ihre Botschaften zu vermitteln. Anlässe gibt es viele, seien es Feiertage wie Ostern und Weihnachten, Sportveranstaltungen wie EM und Olympische Spiele, Aktionstage wie der Weltfrauentag, oder aktuelle Top-Themen in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft wie Klimaschutz, Digitalisierung und Diversity.
Dabei ist es wichtig, glaubwürdig und authentisch zu sein. Die vermittelte Botschaft sollte auch wirklich zum Unternehmen passen. Wer beispielsweise Klima- und Umweltschutz propagiert, ohne das eigene Geschäftsmodell auf Nachhaltigkeit auszurichten, setzt sich dem Vorwurf des „Green-Washing“ aus. Wer sich zum Pride Month nur in westlichen Ländern mit einem regenbogenfarbenen Logo schmückt, wird mit „Gratismut“ und „Pink-Washing“ konfrontiert. Die Selbstdarstellung muss mit den gelebten Werten und mit dem konkreten Handeln übereinstimmen.
Was ist der Unterschied zu Newsjacking?
Newsjacking bezeichnet wörtlich das „Kapern einer Nachricht“. Das Unternehmen springt auf eine Nachricht auf, die bereits in aller Munde ist. Eine solche Nachrichtenwelle ist meist kurzlebiger als die Themenwelle beim Agenda Surfing. Dennoch lassen sich die beiden Instrumente nicht haarscharf voneinander trennen. Beide lenken die bestehende Aufmerksamkeit auf eigene Botschaften um. Mehr über Newsjacking lesen Sie in diesem Blogbeitrag meiner Kollegin Tessa.
Ein Unternehmen, das Newsjacking meisterhaft beherrscht, ist Sixt: Die Autovermietung hat schon öfter Streiks der Lokführergewerkschaft GDL zum Anlass für witzige Social-Media-Posts genommen. Zum Beispiel wurde Claus Weselksky, der Vorsitzende der GDL, von Sixt zum „Mitarbeiter des Monats“ gekürt.
Was ist der Unterschied zu Agenda Setting?
Beim Agenda Setting setzt das Unternehmen die Themenwelle selbst in Gang, statt auf einer bestehenden Welle zu surfen. Ein Anbieter von Fertighäusern ist zum Beispiel darauf angewiesen, dass potenzielle Kunden diese Bauweise und deren Vorteile kennen. Mit gezielter PR in journalistischen und sozialen Medien kann die Firma über Fertighäuser als Beitrag zum bezahlbaren Wohnen aufklären und Vorurteile abbauen – das Thema also auf die Agenda der Medien und Konsumenten setzen und dafür sorgen, dass es mit ihren Produkten verbunden wird.
Beispiel: Agenda Surfing mit Stickern
Bestimmt kennen Sie die ovalen gelben Sticker mit der Aufschrift: „Nett hier. Aber waren Sie schon mal in Baden-Württemberg?“ Die Sticker sind Teil einer Kampagne, die für Baden-Württemberg werben soll. In den vergangenen Jahren haben es die Sticker bis an die entlegensten Orte der Welt geschafft – etwa in karibische Strandbars, wo sie fotografiert und in den sozialen Medien geteilt wurden.
Verschiedene Organisationen springen nun auf diese Kampagne auf und nutzen den gleichen ovalen Sticker, nur mit anderer Aufschrift. Die Klimaschutzbewegung „Fridays for future“ verbreitet zum Beispiel „Nett hier. Aber wie lange noch?“ Auch das Land Bayern hat sich dem Trend angeschlossen. Sein Sticker trägt die Bayernflagge und die Aufschrift: „Nett hier. Aber waren Sie schonmal in Bayern? Bayern – unser Bier ist besser“.