Das Wort „Meinungsführer“ kommt von „Meinung“ und „führen“. Wer mit seiner Expertise in seinem Themenbereich oder seiner Branche punkten will, muss deshalb eine klare Meinung vertreten und zusätzlich mit Kompetenz überzeugen – und das regelmäßig über einen längeren Zeitraum. Es geht um Haltung und um Wissen, nicht um werbliche Unternehmensbotschaften oder Produkte. Das gilt für Meinungsführer, auch Thought Leader genannt, generell und hat erstmal nichts mit dem Businessnetzwerk LinkedIn zu tun.
Mit ihrem Wissen und ihrer Haltung bieten Thought Leader anderen Personen Mehrwert und führen sie im übertragenen Sinne durch einen Themenbereich oder eine Branche. Egal, ob auf einem sozialen Netzwerk, in einem Medieninterview, auf einer Fachtagung oder im Unternehmensalltag. Wichtig dabei ist, dass Entscheider als Thought Leader auf allen genutzten Wegen authentisch auftreten und dadurch glaubwürdig sind. Ihr Ruf als Experte muss mit der Zeit organisch wachsen und kann nur bedingt von extern zugekauft werden. Die Rolle des Thought Leaders ist eng mit den Charaktereigenschaften der Person verbunden. Sie muss von sich aus aktiv sein und Lust darauf haben Meinungsführer zu sein.
Mehrwert statt Selbstdarstellung
Meinungsführer sind allerdings kein Sprachrohr ihres Unternehmens. Es geht deshalb nicht darum, für das Unternehmen zu werben oder sich selbst gut darzustellen. Denn Selbstdarsteller sind häufig nicht sonderlich beliebt – weder im beruflichen noch im privaten Umfeld. Vielmehr geht es darum, die eigene Zielgruppe weiterzubringen. Wenn sich Entscheider aus Unternehmen als Experte einen Ruf aufgebaut haben, kann es passieren, dass mögliche Kunden und Geschäftspartner von sich aus auf sie zugehen.
Relevante Inhalte für Ihre Zielgruppe
Wie bei allen Kommunikationsmaßnahmen sollten Entscheider zuerst definieren, wen sie mit ihrer Expertise erreichen wollen. Anschließend legen sie die Themenbereiche fest, mit denen sie ihre Zielgruppe ansprechen möchten. Daraus leiten sich dann Inhalte ab. Ohne definierte Zielgruppe ist es schwieriger Inhalte zu erzeugen, mit denen interagiert wird. Denn wer alle Menschen ansprechen möchte, spricht am Ende niemanden an. Besonders wichtig ist das für Meinungsführer, die sich auf LinkedIn positionieren möchten. Die Plattform beurteilt Beiträge – und unter anderem auch Personen – danach, wie relevant sie sind. Das misst sie anhand der Interaktionen mit einem Beitrag – und je mehr das in der ersten Zeit nach der Veröffentlichung sind, desto besser.
Wer alle Menschen ansprechen möchte, spricht am Ende niemanden an.
Mehrwert für mehr Engagement
Damit Leser auf Beiträge von Thought Leadern reagieren, sollten Beiträge einige Punkte erfüllen:
- Das Thema ist relevant für die Zielgruppe und bietet ihr einen Mehrwert.
- Der Thought Leader nimmt eine klare Haltung ein. Sie oder er spricht aus der eigenen Expertise heraus, lässt persönliche Erfahrung mit einfließen, ordnet eine Situation ein oder stellt sie in neuem Licht dar. Das reizt Leser, dem Beitrag zuzustimmen oder ihn abzulehnen – beides verleitet zu einer Interaktion. Je mehr Personen mit einem Beitrag interagieren, desto größer ist seine organische Reichweite. Dabei zählt der Mut zur eigenen Meinung: Wenn Entscheider versuchen, es allen Recht zu machen, verwässert das ihre Position. Neutrale Aussagen sollten Thought Leader vermeiden.
- Der Beitrag ist in verständlicher Sprache geschrieben, passt sich allerdings sprachlich an die Zielgruppe an.
- Der Beitrag ist in sich geschlossen. Das heißt, er bietet Lesern alle Informationen, die sie brauchen, um die Haltung des Thought Leaders zu verstehen und darauf zu reagieren. Deshalb empfiehlt es sich, auf Verlinkungen zu anderen Beiträgen oder externen Quellen zu verzichten. Zum einen rufen nur wenige Leser solche weiterführenden Links auf. Zum anderen ist es für sie aufwändig, wieder zurück zum Feed zu kommen, um auf den Beitrag zu reagieren.
- Thought Leader formulieren ihre Position allgemein, sodass ihre Zielgruppe sich damit identifizieren kann. Sie fordern beispielsweise ihre Branche eher dazu auf, etwas zu tun, anstatt darüber zu berichten, wie sie selbst oder ihr Unternehmen handelt („wir im Unternehmen machen das so“).
- Ein Call-to-Action am Ende eines Beitrags kann je nach Thema Leser auffordern, ihre Sicht darauf als Kommentar zu teilen.
All das vereinfacht es Lesern, den Beitrag zu liken, zu teilen, zu kommentieren oder auf eine andere Art und Weise damit zu interagieren – Ziel ist, eine Diskussion in Gang zu setzen, in der sich auch Leser untereinander austauschen.
Im Dialog zum Expertenstatus
Diskussionen sind wichtig. Sie zeigen dem LinkedIn-Algorithmus, dass der Beitrag für andere Personen relevant ist. Meinungsführer selbst sehen durch Diskussionen unter ihren Beiträgen, wie ihre Themen ankommen und was mögliche künftige Themen sein könnten. Um sich als Experte zu positionieren, sollten Entscheider selbst unter Beiträge anderer Personen kommentieren. So zeigen sie ihre Kompetenz und machen auf sich aufmerksam. Dabei empfiehlt es sich, möglichst zeitnah auf Kommentare zu reagieren, solange das Thema noch „heiß“ ist. Das fördert den Dialog und signalisiert Wertschätzung. Wer erst nach Tagen oder gar nicht reagiert, signalisiert Desinteresse und scheint sein Publikum nicht ernst zu nehmen. Das wäre so, als ob ein Redner in einer physischen Gesprächssituation die Frage eines Zuhörers ignoriert oder erst nach Tagen beantwortet.
Zum Dialog mit anderen Personen auf LinkedIn gehört auch, dass sich Meinungsführer gezielt mit für sie relevanten Personen vernetzen. Besonders gut geht das, wenn sie eine relevante Person per Tag in einem Beitrag erwähnen und ihr gezielt eine Frage stellen. Wenn dadurch ein sinnvoller Austausch entstanden ist, verbessert das die Chance, dass eine Kontaktanfrage angenommen wird – oder, dass der Gegenüber von sich aus eine Kontaktanfrage stellt. Netzwerken und das eigene Netzwerk „zur Schau“ zu stellen stärkt die eigene Rolle als Thought Leader.
Wann und wie häufig sie posten sollten
Für eine breite Sichtbarkeit auf LinkedIn sollten Thought Leader regelmäßig Beiträge veröffentlichen – mindestens ein bis zweimal pro Woche. Die Tage und Uhrzeit hängen davon ab, wann der Thought Leader besonders in der ersten Stunde nach dem Veröffentlichen Zeit hat, den Beitrag zu begleiten, um auf Kommentare zu reagieren. Denn das reizt den Algorithmus zur weiteren Ausspielung des Beitrags. Zusätzlich können Entscheider ihre Expertise mit LinkedIn-Artikeln und einem regelmäßigen LinkedIn-Newsletter präsentieren. Beides ermöglicht es Meinungsführern, Themen ausführlicher darzustellen.
Andere für sich schreiben lassen
Entscheider sind häufig viel beschäftigt und lassen sich deshalb gerne von professionellen Kommunikatoren unterstützen, sei es aus der eigenen Unternehmenskommunikation oder einer PR-Agentur. Das funktioniert beispielsweise bei Reden oder Presseinformationen sehr gut. Allerdings kommt das bei Beiträgen für Meinungsführer auf LinkedIn teils an seine Grenzen. Denn besonders interessantes Wissen und Insights haben nur die Entscheider oder Fachexperten im Unternehmen. Auch kennen Kommunikationsprofis nicht immer die persönliche Meinung zu einem Thema. Deshalb ist es für unterstützende Kommunikatoren sehr wichtig, dass sie einen kurzen Draht zu den Thought Leadern haben und sich regelmäßig mit ihnen austauschen. Zusätzlich können Fachabteilungen im Unternehmen über aktuelle Fachthemen und Sichtweisen informieren. Wenn Kommunikatoren die Haltung des Thought Leaders kennen, können sie daraus Beiträge, Artikel oder Newsletter erstellen sowie ergänzende Bilder und Videos gestalten. Um die Haltung des Thought Leaders kennenzulernen sollten sich Kommunikatoren regelmäßig für 20-30 Minuten für Kurzinterviews zu aktuell relevanten Themen abstimmen. Ziel ist, Kommunikationsthemen festzulegen, die Themen und die Haltung dazu zu verstehen sowie die persönliche Meinung des Thought Leaders einzuholen. Der Ghostwriter erstellt dann die Inhalte. Die passende Fachabteilung aus dem Unternehmen versorgt mit Fotos und weiterem Material.
Kommunikatoren sollten sich regelmäßig zu aktuell relevanten Themen mit „ihrem“ Thought Leader abstimmen.
Bei Kommentaren kommt es auf Schnelligkeit und persönliche Beziehungen an. Die Themen zu denen ein unterstützendes Redaktionsteam kommentiert und welche Meinung darin enthalten ist, muss mit dem Thought Leader abgestimmt sein. Mit der Zeit spielt sich das ein, weil Kommunikatoren „ihren“ Thought Leader besser kennenlernen. Das Persönliche ist wichtig, weil Kommentare auf LinkedIn für alle Follower sichtbar sind. Durch sie wirken Meinungsführer authentisch und glaubwürdig.
So könnte das in der Praxis aussehen
Am Beispiel eines C-Levels einer Versicherung als Thought Leader könnte der Arbeitsablauf folgendermaßen sein: Die eigene Forschungsabteilung liefert dem Redaktionsteam jeden Dienstag ein Dossier zu einem aktuellen und für die Zielgruppe relevanten Thema. Das Team erstellt daraus Beitragstexte und Grafiken für LinkedIn. Es folgt eine Abstimmungsrunde mit dem Thought Leader sowie gegebenenfalls kleine Änderungen. Am Freitagvormittag postet der C-Level den Beitrag und antwortet in den kommenden Tagen selbst auf Kommentare.
Doch auch Mitarbeiter kleinerer Unternehmen ohne eigene Fachabteilung können Thought Leader werden. Die Zusammenarbeit von Kommunikatoren mit einem Geschäftsführer eines mittelständischen IT-Unternehmens könnte beispielsweise so ablaufen: Alle ein bis zwei Wochen telefoniert der Thought Leader mit den Kommunikatoren über aktuelle Themen der Branche und was seine Meinung dazu ist. Aus den Informationen erstellen die Kommunikationsprofis pro Woche zwei bis drei Beiträge für LinkedIn. Darauf folgt eine Abstimmungsrunde per E-Mail mit dem Geschäftsführer, der sie frei gibt. Die Kommunikatoren veröffentlichen die Beiträge dann in regelmäßigen Abständen auf LinkedIn. Auf Kommentare reagiert der Thought Leader selbst – bei kritischen Kommentaren unterstützen ihn die Kommunikationsprofis.