Ready? Set. Go! Mit der neuen EU-Richtlinie „Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)“ starten Unternehmen in ganz Europa in einen jährlich wieder­kehrenden Marathon der Nach­haltig­keits­­bericht­erstattung. Für sie wird es höchste Zeit, die Laufschuhe anzuziehen und sich mit der Strecke ver­traut zu machen. Denn laut CSRD müssen Unternehmen künftig zusammen mit dem Jahresfinanzbericht ihren Nach­haltigkeitsbericht ver­öffent­lichen. Dieser Turnus ermöglicht es sowohl den Unternehmen als auch ihren Stake­­holdern, Fort­schritte und Ent­wicklungen im Bereich Nach­­haltig­keit kontinuierlich zu verfolgen und transparent zu machen. Hoffentlich sind die Laufschuhe bequem und fest geschnürt.

Fünf Teams gehen an den Start

Der Startschuss für den CSRD-Marathon fällt nicht für alle Unternehmen gleich­zeitig, sondern es gehen fünf Teams zu unter­schiedlichen Zeiten an den Start.

Team Eins

Team Eins sind Betriebe, die bereits gemäß der alten „Corporate Social Responsibility“-Richtlinie (kurz: CSR-Richt­linie und im Englischen bekan­nt als „Non-financial Reporting Directive (NFRD)“) von 2014 berichten. Das be­trifft große kapital­markt­orientierte Unter­nehmen sowie Kredit­institute und Versicherungs­unternehmen, die

  • von öffentlichem Interesse sind,
  • eine Bilanz­summe von mind. 25 Millionen Euro haben und/oder
  • einen Netto­umsatzerlös von mind. 50 Millionen Euro sowie
  • mehr als 500 Mitarbeitende haben

Sie sind im Jahr 2025 erst­malig dazu ver­pflichtet, gemäß der CSRD-Vor­gaben auf das Geschäfts­jahr 2024 zurück­zublicken. Der Bericht muss bis zum 30. April des Folge­jahres veröffentlicht werden – also am 30.04.2025.

Team Zwei

Team Zwei bilden große Unter­nehmen, die gemäß der alten CRS-Richtlinie nicht berichts­pflichtig waren. Als groß gelten alle Unter­nehmen, die zwei von drei der folgenden Kriterien erfüllen:

  • mehr als 250 Mitarbeitende
  • Bilanzsumme von mind. 25 Millionen Euro
  • Nettoumsatzerlöse von mind. 50 Millionen Euro.

Sie berichten über das Geschäfts­jahr 2025 und müssen bis zum 30.04.2026 ihren Nachhaltig­keits­bericht öffentlich zur Verfügung stellen.

Team Drei

Team Drei setzt sich zusam­men aus

  • börsennotierten kleinen und mittleren Unter­nehmen (KMU mit mehr als zehn und weniger als 250 Mitarbeitenden) sowie
  • nicht komplexen Kredit­instituten und firmen­eigenen (Rück-) Versicherungs­unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitenden.

Das Team berichtet über das Geschäfts­jahr 2026. Der Bericht soll gemäß CSRD-Richtlinie 2027 veröffentlicht werden.

Betroffene börsennotierte KMU können bei Bedarf von einer Ausnahmeregelung Gebrauch machen. Sie bekommen zwei Jahre Aufschub, wenn sie in ihrem Lagebericht erklären, warum sie ihrer Pflicht noch nicht nachkommen – am CSRD-Marathon also nicht teilnehmen – können. Damit veröffentlichen sie ihren Bericht über das Geschäftsjahr 2028 erst in 2029.

Vom CSRD-Marathon aus­ge­schlossen sind börsen­notierte Kleinst­unternehmen. Sie sind definiert

  • mit einer Bilanz­summe von max. 450.000 Euro und / oder
  • einer Nettoum­satz­erlöse von max. 900.000 Euro und
  • max. 10 Mitarbeitenden.

Team Vier

Nicht-EU-Unternehmen

  • mit einem EU-Netto­umsatz von über 150 Millionen Euro und
  • mindestens einem Tochter­unter­nehmen oder
  • einer Zweig­nieder­lassung in der EU bilden Team Vier.

Sie müssen in 2029 erstmalig über das Geschäftsjahr 2028 Bericht erstatten.

Team Fünf

Zum Mitlaufen ge­zwungen wird auch Team Fünf: nicht-börsen­notierte KMUs. Durch den Trickle-down-Effekt oder auch Kaskaden-Effekt sind sie indirekt von den Berichts­pflichten betroffen. Und zwar dann, wenn berichts­pflichtige Unter­nehmen Informationen, Daten und Aus­künfte zu ihren Lieferanten, Kunden und Geschäfts­partnern offen­legen müssen. Auch Banken werden Nach­haltig­keits­informationen verstärkt in ihre Kredit­entscheidungs­prozesse implementieren. Für KMU wird daher derzeit ein frei­williger Bericht­standard “Voluntary ESRS for non-listed small- and medium sized enterprises (VSME ESRS)” erarbeitet.

Über 70.000 Unter­nehmen aus rund 60 Ländern

Die Deutsche Industrie- und Handels­kammer schätzt, dass die CSRD ca. 15.000 deutsche Betriebe betrifft. EU-weit müssen rund 49.000 Unter­nehmen am CSRD-Marathon teil­nehmen, schätzt EY Deutschland. Laut dem Wall Street Journal sind mehr als 10.000 Nicht-EU-Betriebe aus mehr als 60 Ländern berichtspflichtig: davon 31% aus den USA, 13% aus Kanada und 11% aus dem Vereinigten Königreich. Damit sind insgesamt rund 74.000 Unternehmen von der EU-Richt­linie betroffen.

Das Regel­werk des CSRD-Marathons ist streng

Auf Basis der neu entwickelten European Sustainability Reporting Standards (ESRS) – dem Regel­werk für den CSRD-Marathon – müssen Unter­nehmen vergleich­bare, detaillierte und ver­lässliche Nach­haltig­keits­informationen veröffentlichen. Bei den zwölf ver­bindlichen Standards machen Unter­nehmen zum einen allgemeine Angaben zum Geschäfts­modell und zur Nach­haltigkeits­strategie. Zum anderen müssen Unter­nehmen Fragen zu den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmens­­führung (kurz: ESG) beantworten. Das sorgt für mehr Transparenz über die ESG-Aspekte und liefert Stake­holdern verlässliche Daten.

Die bisher gültige CSR-Richtlinie aus dem Jahre 2014 wies signifikante Defizite in den Berichts­pflichten auf, wie das Umwelt­bundesamt 2021 in der Studie „Klima- und Umwelt­bericht­erstattung deutscher Unter­nehmen“ heraus­arbeitete. So stuften nur acht Prozent der damals 500 berichts­pflichtigen Unter­nehmen das Thema Wasser als wesent­lich ein. Die Umwelt­themen Bio­diversität und Kreis­lauf­wirtschaft, die in der EU-Taxonomie zur Klassifizierung von nach­haltigen Wirtschafts­aktivitäten einen zentralen Stellen­wert haben, wurden sogar nur in fünf Prozent der Fälle als relevant angesehen. Deswegen und vor dem Hinter­grund des „European Green Deal“ wurde die CSR-Richtlinie umfassend über­arbeitet und um die CSRD inkl. der ESRS erweitert.

Good to know
Der “European Green Deal” ist die übergeordnete Strategie der EU, um bis 2050 klima­neutral zu werden und den Über­gang zu einer nach­­haltigen Wirtschaft zu fördern. Die “EU-Taxonomie” wurde unter dem Green Deal entwickelt und dient der Klassifizierung von nach­­haltigen Wirtschafts­­aktivitäten. Beide zielen darauf ab, nach­­haltige Investitionen zu fördern. Die EU-Taxonomie dient dabei insbesondere Investoren als Werk­­zeug, um grüne Investitionen zu identifizieren. Die EU-Taxonomie bildet das Fundament für die Bericht­­erstattung über Umwelt­­kriterien – der CSRD. Somit ver­bindet die CSRD die EU-Taxonomie direkt mit der Unter­nehmens­­bericht­erstattung und den Zielen des Green Deals.

Wer den CSRD-Marathon läuft, gewinnt – in vielerlei Hinsicht

Unternehmen sollten die CSRD-Richtlinie allerdings nicht als Last, sondern als Chance wahrnehmen. Nach­haltiges Wirtschaften ist eine lang­fristige Not­wendig­keit – ein Marathon eben – und kann zu einer Reihe positiver Effekte führen. Zum Beispiel spielen für Investor:innen transparente und nach­haltige Geschäfts­praktiken von Unter­nehmen zunehmend eine wichtige Rolle bei der Aus­arbeitung ihrer Anlage­strategien. So berücksichtigen laut der EY Global Corporate Reporting and Institutional Investor Umfrage 99 Prozent der Anleger:innen bei ihren Investitions­entscheidungen ESG-Kriterien und 74 Prozent legen einen strengen Ansatz zugrunde, wenn sie die Nach­haltigkeits­bemühungen von Unter­nehmen bewerten.

Der Nach­haltigkeits­bericht bietet Unter­nehmen außerdem völlig neue Ein­blicke in Risiken und Chancen des eigenen Geschäfts­modells sowie der gesamten Wert­schöpfungs­kette. Damit können sie bessere finanzielle Ergebnisse erzielen. Zu guter Letzt kann der Bericht ent­scheidende Impulse für Innovationen und eine zukunfts­orientierte Unternehmens­strategie liefern. Eine Teilnahme am CSRD-Marathon zahlt sich also aus. Damit der Marathon auch ein Erfolgs­erlebnis wird, gibt es ein paar Aspekte zu beachten.

Fünf Tipps für einen erfolgreichen CSRD-Marathon

#1 Vorbereitung ist die halbe Miete.

Die Offenlegung von detaillierten und umfassenden Informationen über die Nachhaltigkeits­leistungen gemäß der CSRD erfordert von Unter­nehmen umfang­reiche Daten­erhebungen. Sie müssen 157 potenzielle Themen und über 1.000 Daten­punkte erfassen, wie die Haufe Group schreibt. Das erfordert neue Berichts­prozesse. Diese umfassenden Vor­bereitungen kosten Zeit und Geld. Doch die Investition lohnt sich, denn die neu auf­gesetzten Berichts­prozesse lassen sich dann viele weitere Jahre nutzen und optimieren.

#2 Teamwork makes the dream work.

Unternehmen sollten in Vorbereitung auf den CSRD-Marathon ein multi­disziplinäres Team aus Spezialist:innen für Finanzen, Nach­haltigkeit, Investor Relations, Kommunikation und Strategie zusammenstellen. Dieses Team sollte zunächst umfassende Empfehlungen für die Bewältigung von Heraus­forderungen und Chancen erarbeiten, die sich aus den Nach­haltigkeits­fragen ergeben. Diese Empfehlungen werden wiederum in veränderte unter­nehmerische Abläufe übersetzt, um eine nach­haltige Transformation zu bewirken.

#3 Die Macht der Masse nutzen.

Wer am CSRD-Marathon teilnimmt, sollte sein Publikum – die Stakeholder – aktiv einbinden zum Beispiel über interaktive Work­shops oder Um­fragen. Stakeholder bieten oft wert­volle Ein­blicke in die sozialen, ökologischen und wirt­schaftlichen Aus­wirkungen des Unter­nehmens. Außerdem können Unter­nehmen dadurch früh­zeitig Risiken erkennen und Chancen für ein nach­haltiges Wachstum besser nutzen.

#4 Neue Prioritäten bringen Unter­nehmen weiter.

Sobald die Unternehmens­strategie im Sinne einer nach­haltigen Transformation über­arbeitet wurde, sollten die neu gesetzten Prioritäten bei strategischen Ent­scheidungs­prozessen von Unter­nehmen einbezogen werden. Das gilt u.a. für Investitionen, Portfolio­gestaltung oder Markt­positionierung. Dieser Ansatz, Geschäfts­entscheidungen auf der Grund­lage nicht-finanzieller Prioritäten zu treffen, ist zwar nicht neu, wird durch die CSRD jedoch weiter unter­mauert und stärkt das Ver­trauen in das Unter­nehmen.

#5 Kommunikation ist key.

Die Erstellung des CSRD-Berichts ist kein Stolper­stein auf der Lauf­strecke, sondern der Energie­riegel. Denn der Bericht dient als gute Basis für die Nachhaltigkeits­kommunikation. Diese sollte nämlich nicht nur den gesetz­lichen Vor­gaben wie der Green Claims Directive (mehr zur GCD gibt es im Info-Kasten) entsprechen, sondern immer wieder auf den Bericht verweisen und bei der Ent­wicklung von Kampagnen darauf zurückgreifen. So kann die Nachhaltigkeits­kommunikation dazu beitragen, dass Unternehmen ihr Employer Branding stärken und ihre Reputation aufbauen.

Good to know
Die GCD, auch als Richtlinie zu Umwelt­werbe­aussagen bekannt, besagt, dass Unternehmen umwelt­bezogene Aussagen nur dann machen dürfen, wenn sie auf wissen­schaftlichen Standards und aktuellem Wissen basieren. Begriffe wie „umwelt­freundlich“ oder „klima­neutral“ müssen mit über­prüfbaren Daten hinterlegt sein. Dies soll Verbraucher:innen helfen, fundierte Ent­scheidungen zu treffen, und sicherstellen, dass Unter­nehmen ihre Nachhaltigkeits­aussagen transparent dar­stellen. Recht­lich hängt die Green Claims Directive nicht direkt mit der CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) zusam­men, weil sie unter­schiedliche Bereiche regeln. Während die CSRD Unter­nehmen ver­pflichtet, umfang­reiche Nach­haltigkeits­berichte zu ver­öffent­lichen, zielt die Green Claims Directive speziell auf die Kommunikation von Umwelt­behauptungen in der Werbung und auf Produkten ab. Allerdings ergänzen sich beide Richt­linien, weil sie beide zur Trans­parenz in Bezug auf Unternehmens­nachhaltigkeit beitragen.